
Das Porträt ist eine reiche Spielform der Kunstgeschichte. Früher war das gezeichnete, gemalte oder modellierte Gesicht ein Abbild, Spiegelbild, ein Selbstbild oder Wunschbild. Die zeitgenössische Kunst hat sich davon entfernt. Das Gesicht ist nicht mehr Oberfläche, die nach aussen getragen wird. Künstlerinnen und Künstler spüren hinter dem Schein nach der Emphase und Gebärde und erschaffen fiktionale Persönlichkeiten. Die Gesichter werden entpersonalisiert, manipuliert, zitiert. «Ich male die Nasen absichtlich schief, damit die Leute gezwungen sind, sie anzusehen» sagte Pablo Picasso (1881–1973).
Seitdem Covid-19 den Alltag beherrscht und sich die Gesichter in der Öffentlichkeit in die innere Emigration hinter Masken begeben müssen, ist uns klar geworden: Es sind, anders als das geflügelte Wort es wahr haben will, nicht allein die Augen, welche die Seele widerspiegeln und die Stimmung der Herzen verraten. Das gesamte Gesicht ist Ausdrucksträger unserer Identität. Heute leiden wir unter dem Gesichtsverlust. Die aufgespannten blauen, schwarzen, grünen Masken verbergen die mimische Leistung des lebendigen Gesichts, die sowohl im Zeigen und Offenbaren wie auch im Verbergen und Täuschen besteht. Im Leben verändert die Mimik das Gesicht, das wir haben, zu dem Gesicht, das wir machen.
Die Gesichter – oder Masken – vor allem in der Kunst der Gegenwart haben, wegen ihrer Expressivität, der Umgestaltung, Steigerung oder Verschleierung des Sujets, eine bannende Wirkung. Sicht- oder erahnbar werden die unterschiedlichsten Gefühle des Seelenlebens: Angst, Freude, Trauer, Nachdenklichkeit, Glück, Spass, Beklemmung, Unsicherheit, Genuss, Kummer, Unbehagen, Not.
Die Ausstellung versammelt Exponate aus öffentlichen und privaten Sammlungen sowie Arbeiten aus den Ateliers von Kunstschaffenden in der Zentralschweiz.
Werke von Eva Aeppli, Anna Blume, Hansjürg Buchmeier, Roland Bugnon, Paul Camenisch, Hans Erni, Franco Francese, Franz Gertsch, Adolf Herbst, Käthe Kollwitz, Rolf Meyer, Thomas Muff, Albert Müller, Werner Neuhaus, Pablo Picasso, Dieter Roth/Richard Hamilton, Hans Schärer, Hermann Scherer, Karl Schlageter, Johannes Robert Schürch, Ernst Schurtenberger, Paul Stöckli, Bruno Visinoni, Max von Moos, Marianne von Werefkin, Charles Wyrsch u.a.
Kuratoren: Karl und Isolde Bühlmann
Bildlegende: Marianne von Werefkin (1890-1938), Salomè, ca. 1930, Mischtechnik auf Karton, 73 x 55 cm, Fondazione Matasci per l'Arte, Tenero